Update Januar 2024
Im Januar haben die ersten Kinder ihre neue Schule in Besitz genommen. Eltern, bestimmt genauso aufgeregt wie alle Eltern die ihre Kinder zum ersten Schultag bringen, Vertreter der Gemeinde und des Distrikts haben gemeinsam ihre Schule in Betrieb genommen.
Wenn Ich in die Gesichter der Kinder schaue, frage ich mich, was aus Ihnen einmal werden wird? Sie wissen es nicht, aber ab heute nehmen sie ihr Schicksal ein wenig schon selbst in die Hand. Hassan Mfangavo, der Ward Education Officer, der Initiator dieses Schulbaus, hat auch mal so angefangen.
Wir wollen zukünftig versuchen, Kinder von Schulen, die AKO fördert zu verfolgen. 85% der Kinder besuchen die Grundschule, nur noch 35% die secondary school. Grund ist wie so oft meist mangelnde Mittel. Vielleicht können wir hier mit den Mitteln unserer Spender wenigstens einigen Kindern die besonders begabt und fleißig sind helfen, ihre Bildungslaufbahn fortzusetzen.
Gemeinsam gebaut von Eltern, Gemeinde und Distrikt wurden von den verplanten 60.000€ nur ca. 50.000€ verbaut. 45.000€ waren mit Unterstützung durch Ruben Wend von Hassan Mfangavo bei der Fly&Help Stiftung eingeworben worden, 15.000€ hatte AKO zugesagt. Da der Bau in Eigenregie durchgeführt wurde, bleiben die eingesparten 10.000€ der Gemeinschaft für weitere Investitionen erhalten. Gefragt, was sie damit machen wollen, war einhelliger Wunsch aller Beteiligter der Bau eines weiteren Klassenzimmers. Wir werden das unterstützen.
Eine „Küche“ haben sie sich selbst gebaut. Eine vernünftiges Klassenzimmer für die Kinder ist allen wichtiger.
September 2023
2021 tritt Hassan Mfangavo, Ward Education Officer des Distrikt Hai, an uns heran. Er bittet um Unterstützung beim Bau einer Schule. Mitten in der von Unsicherheit geprägten Pandemiezeit sind wir nicht vor Ort. Niemand kann das Bauprojekt richtig beurteilen. Wir können es nicht betreuen. Abgesehen davon tun wir uns mit neuen Projekten schwer, weil unsere langjährigen Projektleiter kürzertreten müssen und sich zurückziehen wollen.
Hassans Sorgenkind ist Sanya Station, eine Schule für 400 Kinder. Inzwischen hat sie 1.000 Schüler. Offizielle Pläne für eine neue Schule existieren, öffentliches Geld ist aber nicht in Sicht. Die Eltern beginnen in Eigeninitiative und mit Genehmigung und Planung der Distriktbehörde (etwa Landratsamt) den Bau der neuen Schule.
Nach der Fertigstellung der Mauern für zwei Klassenzimmer plus ein Lehrerzimmer ist das Geld zu Ende. Die Pandemie verursacht in Tansania bei allen Menschen unmittelbar Einkommensausfälle, sei es durch fehlende Arbeit (null Tourismus) oder durch massiv steigende Lebensmittelpreise.
Wir beginnen wie immer mit der kalkulatorischen Aufbereitung des Projektes, um es potenziellen Spendern präsentieren zu können. Aus der Ferne bereiten wir mit Hassans Informationen und Unterlagen einen Antrag bei der Stiftung Fly&Help vor. Erwin Remmele kümmerte sich von München aus mit Hassan um die technische Durchsicht der Pläne.
Fly&Help, zu denen wir bisher keinen Kontakt haben, konzentrieren sich auf den Bau von Schulen in der Nähe von Flughäfen, da viele SpenderInnen, ebenso wie der Stiftungsgründer, einen Pilotenschein haben. Darajani liegt 15 Minuten entfernt vom Kilimanjaro Airport.
Erste Projektvorstellung nach Spendervorgabe – bitte hier klicken
Hassans Antrag wird als förderungswürdig akzeptiert. In der folgenden Abstimmung mit der Stiftung ist auch ein Thema, wie wir den Bau und die Verwendung der Gelder überwachen wollen. Die neue NGO ist noch unerfahren, also entscheide ich, den Bau der Schule auf eigenes Risiko aus Deutschland zu überwachen. Vorher habe ich mich von Hassan überzeugen lassen, dass auch in Tansania Prozeduren existieren, die der Verschwendung oder der Veruntreuung von Geldern vorbeugen.
Kann ein 45.000€ Projekt ohne AKO-Projektleiter vor Ort funktionieren? Schaffen die Tansanier das alleine? Die Fragen haben mich schon immer umgetrieben. Im Grunde haben wir die Antwort gewusst. Möglicherweise haben Routine, Erfahrungen aus vielen Jahren und eine vielleicht übersteigerte Einschätzung deutscher Handwerkskunst daran gehindert zu erkennen, dass sich unsere Rolle von Lehrern und Erklärern zu Helfern, Unterstützern und Förderern, zu Sparringspartnern und Netzwerkern gewandelt hat. Denn, die Antwort ist eindeutig Ja.
Und wie funktioniert das? Wir haben zugehört und gestaunt. Es ist kein Verfahren, das wir so machen würden, aber es ist ein übliches Verfahren in Tansania.
Die Tansanier machen sich zu Nutze, dass die Eltern der Gemeinde ein gemeinsames Interesse an der Schule haben. Es ist anzunehmen, dass, würde eine einzelne Person aus dieser Gemeinde sich ungerechtfertigt aus den Mitteln für die Schule bereichern, sie mit einer deutlichen Missbilligung, man könnte sagen „Ächtung seitens der Gemeinschaft“ rechnen muss.
Für den Bau wird ein Schulkomitee gegründet. Das besteht aus Eltern aus der Gemeinde, Hassan als Distriktvertreter, dem Schulleiter und seinem Stellvertreter. Aus diesen bis zu 12 Personen werden Unterkomitees gebildet. Von diesem Schulkomitee wird, mit Genehmigung des Distrikts, ein eigenes Konto für das Projekt eröffnet. Drei Personen aus dem Komitee sind unterschriftsberechtigt, mindestens zwei müssen unterschreiben.
Dem Baubeginn vorangegangen ist die Entscheidung der Gemeinde, die Schule nach der Force Account-Methode zu bauen. Am besten übersetzt als Regiearbeit. Die Alternative wäre, das Bauvorhaben komplett an einen Generalunternehmer zu vergeben. Die tansanischen Behörden haben Force Accounts umsatzsteuerbefreit. Das Projekt wird also mindestens 18% billiger. Ziel dieser Methode war wohl Eigeninitiative als zusätzlichen Weg zur Schaffung von Infrastruktur zu fördern.
Jetzt ist es notwendig, einen Bauunternehmer auszusuchen, der die fachliche Bauleitung und später die Gewährleistung übernimmt. Die reine Bauleistung, ohne Material, wird ausgeschrieben. Das Komitee sucht, immer in Absprache mit dem District Engineer, den günstigsten Anbieter aus. Auch hier muss man nochmal unterscheiden, dass es Unternehmer gibt, mit denen der Distrikt bereits Erfahrung hat und solche, deren erstes Bauvorhaben es mit dem Distrikt wäre. Würde man letztere auswählen, müsste der District Engineer jeden Bauabschnitt abnehmen, bei ersteren muss er nur eine Endabnahme machen.
Als Zwischenbemerkung möchte ich mal darauf hinweisen, dass man sich klar machen muss, warum wir ohne Wissen um diese manchen Entscheidungen zugrundeliegenden Parameter mit unserer Außensicht immer wieder zu dem Schluss kommen mussten, es sei willkürlich oder aus Gründen der Korruption eben dieser Bauunternehmer geworden, z.B. obwohl ein anderer billiger anbietet. Nun wird ein Vertrag zwischen dem Komitee und dem ausgewählten Bauunternehmer geschlossen und die Arbeiten beginnen. Materialien, deren Menge in einer Bill of Quantities vorher vom District Engineer festgelegt wurde, werden in Paketen ausgeschrieben. Verantwortlich dafür ist ein weiteres Unterkomitee von drei Personen.
Jeder Anbieter erhält ein Standardformular, das Komitee wählt den günstigsten aus.
Wird die Ware geliefert, prüft ein weiteres Unterkomitee die Qualität der Ware.
Auch hier ist der Mechanismus klar darauf ausgelegt, maximale Transparenz oder Öffentlichkeit zu schaffen. Dadurch hat niemand alleinige Hoheit über Teilprozesse und kann sie nicht manipulieren, ohne mindestens fünf andere Menschen auf seine Seite zu ziehen. Ansatzpunkte zur Manipulation gäbe es mannigfaltig, z.B. könnte ein Besteller mit einem Lieferanten qualitativ hochwertige Ware bestellen, aber qualitativ minderwertige Lieferung akzeptieren. Der Gewinn würde geteilt werden. Selbst so etwas ist hier praktisch durch das Prinzip vieler Augen ausgeschlossen.
Der Bau geht nun weiter, wenn nötig mit erfahrenen Mitarbeitern des Bauunternehmers, wenn möglich aber auch durch Eigenleistung der Bewohner der Gemeinde. Der Bauunternehmer wird nach Baufortschritt bezahlt. In dem Vertrag hat er sich auch zur Einhaltung von Zeitzielen verpflichtet. Tatsächlich kam es vor, dass ein Zeitziel nicht eingehalten wurde. Das Komitee hat energisch interveniert. Ich habe erstmals in meinem Leben ein Schreiben gesehen, in dem sich ein Bauunternehmer für eine Verspätung entschuldigt und erklärt, wie diese zustande kam.
Natürlich haben wir seitens AKO ebenso mit dem Komitee eine Vereinbarung geschlossen. Es ist nicht so, dass keine Kontrolle vor Ort bedeutet, wir wollen gar nicht kontrollieren. Wir helfen uns mit einem engen und klar definierten Reporting, dass wir im Vorfeld mit Hassan vereinbaren. Wir zahlen in Tranchen. Die nächste Tranche kommt zur Auszahlung, wenn eine lückenlos dokumentierte Verwendung der verausgabten Gelder der vorherigen Tranche vorliegt. Ein Beispiel eines solchen Nachweises sehen sie hier:
Abrechnungsbeispiel 007 TIMBER 1A – bitte hier klicken
Wir haben viel gelernt bei diesem Projekt. Wir haben neue Prozeduren kennengelernt. Wir haben aber auch gelernt zu vertrauen.
Die Schule steht. Gebaut von Tansanierin für Tansanierin. Bezahlt aus Deutschland.
Ist das der Erfolg der Entwicklungszusammenarbeit von AKO?Ich denke nein. Oder, nicht in der Hauptsache. Diese Art und Weise der Projektumsetzung ist eine logische Entwicklung. Sie wird sich auch ohne AKO durchsetzen.
Wo sehe ich dann den Erfolg unserer Arbeit? Die Antwort ist für mich auch eindeutig: Hassan Mfangavo.
2016 hatte ich erstmals von Hassan Mfangavo gehört. Erwin Remmele sprach mit ihm wegen unseres geplanten Projektes in Kambi ya Chokaa. Hassan hat Familie, Frau und drei Kinder und absolvierte ein Bachelorstudium für das höhere Lehramt. Wir bekamen die Informationen. Und eine Anfrage, ob wir ihm das Dach für sein Haus bezahlen können. Das mussten wir leider ablehnen.
2021 hören wir wieder von Hassan. Inzwischen ist er Ward Education Officer des District Hai, zuständig für 12 Schulen. Er ist Regierungsangestellter. Frau Dörr, ein AKO-Mitglied aus München, inzwischen leider verstorben, hatte nicht nur eine größere Schule finanziert, sondern ihm auch ein Bachelorstudium bezahlt. Allein hätte er dies niemals geschafft. Jetzt ist er in seinem Land in einer Position, wo er etwas verändern kann. Und er tut es. Er sitzt nicht seine Zeit in der Behörde ab, er wird aktiv. Sucht Lösungen.
Ich ahne, Hassan ist noch nicht am Ende seiner Karriere angekommen. Und Hassan hat Kinder, denen er möglicherweise ein Vorbild ist. Sie werden das Land vielleicht weiter aufbauen. Und er hat Nachahmer, angespornt von seinem Erfolg.
Ich habe viel gelernt von Hassan. Tansania hat vielversprechende, motivierte intelligente Menschen, die in der Lage sind, ihr Land aufzubauen. Wir müssen Menschen unterstützen, sich auszubilden. Und dann müssen wir ihnen das anvertrauen, was sie am meisten von uns brauchen: finanzielle Hilfe. Sie werden es effizient einsetzen.
Ruben Wend, Traunstein 22. September 2023